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Abschaffung der Schriftform im Gewerbemietrecht: Neue Wege durch das Vierte Bürokratieentlastungsgesetz


Am 30. Oktober 2024 wurde das Vierte Bürokratieentlastungsgesetz (BEG IV) veröffentlicht, das ab 01. Januar 2025 in Kraft tritt. Eine der zentralen Änderungen betrifft das Gewerberaummietrecht, und zwar die Regelungen zum Schriftformerfordernis bei langfristigen Mietverträgen. Für Mieter und Vermieter von Gewerbeimmobilien ergeben sich durch die Änderungen einige Erleichterungen, aber auch neue Herausforderungen.

 


Die Bedeutung des § 550 BGB im Gewerberaummietrecht


Für Gewerberaummietverträge galt bisher die gesetzliche Regelung des § 550 BGB. Wenn diese für einen längeren Zeitraum als ein Jahr abgeschlossen wurden, verlangte die Regelung bis zur Verabschiedung des Gesetzes die Einhaltung der gesetzlichen Schriftform. Das bedeutete, dass alle wesentlichen Vertragsinhalte – wie die Namen der Vertragsparteien, die genaue Beschreibung des Mietobjekts, die Laufzeit des Vertrags und die Miethöhe – schriftliche in einer Urkunde niedergelegt und von beiden Parteien unterzeichnet werden mussten.

 

Die Nichteinhaltung der Schriftform führte zu erheblichen rechtlichen Konsequenzen: Der Vertrag galt in solchen Fällen als auf unbestimmte Zeit geschlossen, was bedeutete, dass er von beiden Parteien jederzeit ohne Angabe von Gründen ordentlich gekündigt werden konnte (§ 580a BGB). Dies stellte ein großes wirtschaftliches Risiko dar, da langfristige Mietverträge plötzlich frühzeitig enden konnten und somit Planungsunsicherheit sowohl für Mieter als auch für Vermieter bestand.


Insbesondere für Unternehmen, die auf langfristige Mietverhältnisse angewiesen sind, wie Projektentwickler von Windenergieanlagen und Solarparks, war dieses Risiko ein erheblicher Nachteil.

 


Die Neuregelung: Einführung der Textform statt der Schriftform


Die bisherige Verpflichtung zur Schriftform gemäß § 550 BGB wird nun gemäß dem neu formulierten § 578 BGB durch das Erfordernis der Textform ersetzt. Gemäß § 126b BGB muss ein Dokument nur noch eine lesbare Erklärung enthalten, in der der Erklärende genannt ist und die auf einem dauerhaften Datenträger festgehalten wird. Dies umfasst moderne Kommunikationsmittel wie E-Mails, SMS oder sogar WhatsApp-Nachrichten.

 


Auswirkung für Altverträge


Ab Inkrafttreten des Gesetzes gilt ein einjähriger Übergangszeitraum für Altverträge. Während dieses Zeitraums können Gewerbemietverträge, die vor Inkrafttreten abgeschlossen wurden, aufgrund eines Schriftformmangels, der keinen Verstoß gegen die neue Textform darstellt, noch ordentlich gekündigt werden. Wenn jedoch bestehende Gewerbemietverträge während des Übergangszeitraums geändert oder neue Gewerbemietverträge geschlossen werden, ist ein Verstoß gegen die Textform erforderlich, um das Kündigungsrecht geltend zu machen. Nach Ablauf des Übergangszeitraums wird diese Regelung für alle Gewerbemietverträge wirksam.

 

Da die Nutzungsverträge für Windenergieanlagen und Solarparks als Gewerberaummietverträge qualifizieren, unterliegen auch diese Verträge den neuen Vorgaben zur Textform.

 


Vor- und Nachteile der Neuregelung


Die Umstellung auf die Textform bietet mehrere Vorteile:

 

Ein wesentlicher Punkt ist der Bürokratieabbau. Die bisher langwierigen Prozesse zur Erstellung und Unterzeichnung von Verträgen in Papierform entfallen. Mietverträge können nun digital erstellt und über moderne Kommunikationsmittel versendet werden, was zu einer deutlichen Zeit- und Kostenersparnis führen kann.

 

Die Möglichkeit, Verträge digital zu verwalten und abzuschließen, fördert nicht nur die Effizienz, sondern entspricht auch den Anforderungen einer zunehmend digitalen Geschäftswelt. Die neue Regelung ermöglicht es Mietern und Vermietern, flexibler und schneller auf Marktveränderungen zu reagieren und Vertragsverhältnisse und -nachträge unkomplizierter abzuschließen.

 

Jedoch bringt die Gesetzesänderung auch einige Herausforderungen mit sich.

 

Ein potenzielles Missbrauchsrisiko besteht darin, dass digitale Dokumente leichter verändert werden können als physische Vertragsdokumente. Da keine handschriftliche Unterschrift mehr gefordert ist, könnte es in der Praxis schwieriger sein, die Echtheit oder Verbindlichkeit eines Mietvertrages nachzuweisen. Dies könnte insbesondere in Streitfällen zu Unsicherheiten führen. Zudem könnten rechtliche Auseinandersetzungen über die Authentizität oder den Inhalt von digital erstellten Verträgen zunehmen, da diese leichter nachträglich verändert werden können.

 

Der Bundesrat hatte im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zudem Bedenken geäußert, dass keine ausdrückliche Regelung dazu besteht, ob die Textform bedeutet, dass nur ein Datenträger benutzt werden darf oder ob bei der Benutzung mehrerer Datenträger die Bezugnahme ausreicht. Diese Unklarheit wurde durch die Neuregelung selbst nicht aufgelöst und könnte in der Praxis ebenfalls zu Unsicherheiten führen.

 


Vertragliche Schriftformvereinbarung


Die Parteien haben trotz der Gesetzesänderung auch weiterhin die Möglichkeit, ihre Verträge unter ein vertragliches Schriftformerfordernis zu stellen. Diese sogenannte doppelte Schriftformklausel ermöglicht es, die Anforderungen an die Schriftform nach den eigenen Wünschen und Bedürfnissen zu gestalten. So können die Vertragsparteien entscheiden, ob sie eine strengere Form wählen möchten, die über die neuen Anforderungen der Textform hinausgeht.

 


Unsere Empfehlung


Die Vertragsparteien von gewerblichen Mietverträgen sollten sich der möglichen rechtlichen Unsicherheiten und Risiken bewusst sein. Unsere Empfehlung ist daher, zusätzliche Sicherheitsvorkehrungen wie digitale Signaturen oder verschlüsselte Kommunikationskanäle zu nutzen, um Manipulationsmöglichkeiten zu minimieren und die Beweiskraft von Verträgen zu sichern. Alternativ bleibt weiterhin die Möglichkeit erhalten, die Schriftform zu vereinbaren.

 

Wenn Sie Fragen zu den oben genannten Themen haben, dann kontaktieren Sie uns gerne – wir freuen uns auf Ihre Nachricht.

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